Zum ersten Mal hat man an dieser Stelle die belgische Hymne im Biebricher Schlosspark gehört. Im LONGINES Grand Prix, dem Großen Preis der Landeshauptstadt Wiesbaden, hat sich Koen Vereecke mit fehlerfreiem Stechen in 54,56 Sekunden den Sieg gesichert. Bei der 86. Auflage des Turniers ist der 54-Jährige der erste Belgier, dem dieser Coup gelang. Und noch eine Premiere: erstmals wurden die Plätze zwei und drei von Damen belegt, Anna Maria Kuhlmann und Nicola Pohl. Kuhlmann blieb ebenfalls fehlerfrei und war drei Sekunden langsamer als der Sieger. Pohl drehte die schnellste Runde im Stechen, aber mit einem Abwurf. „Es war eine tolle Prüfung und dass wir auch mal zwei Damen hier auf dem Podium sitzen haben, freut mich ganz besonders“, erklärte Turnierchefin und WRFC-Präsidentin Kristina Dyckerhoff fröhlich.
Vereecke saß im Sattel seines EM-Partners vom vergangenen Jahr, dem 14-jährigen Kasanova de la Pomme, mit dem er zu den Olympia-Kandidaten der belgischen Equipe gehört. „Der Sieg heute bedeutet mir sehr viel“, erklärte der Belgier. „In 14 Tagen soll ich meinen ersten Nationenpreis in St. Gallen reiten, da war Wiesbaden als Vorbereitung gedacht – besser hätte es nicht laufen können.“ Auch mit Blick auf Paris sei dies ein sehr wichtiger Schritt für ihn gewesen. Seine Taktik war einleuchtend: „Ich wollte nicht zu schnell reiten, nicht alles rauslassen. Ich bin einfach meinen Weg geritten und wusste, dass es schnellere Reiter gibt, aber ich wollte fehlerfrei reiten und eine gute Runde haben.“ Er sei das erste Mal in Wiesbaden gewesen. „Es ist ein unglaubliches Turnier und der Parcourschef hat einen super Job gemacht, genauso wie alle Menschen drum herum.“
In absoluter Spitzenform zeigte sich Anna Maria Kuhlmann an diesem Wiesbaden-Wochenende. Auf ihrer 13-jährigen Stute Pegasus ist sie im Hauptspringen am Sonntag unter die besten Fünf ins Stechen gesprungen, heute gelang ihr im Großen Preis derselbe Coup. Mit einer kontrollierten Nullrunde wurde die 33-Jährige Zweite. „Ich habe die Stute jetzt erst seit drei Monaten“, sprudelte es voller Freude aus Anna Maria Kuhlmann heraus. „Sie springt einfach wahnsinnig gut, so ein Pferd macht es einem leicht. Gestern hatte ich im Stechen zwei Fehler, deswegen war der Plan heute mit Ruhe doppelnull. Irgendwie wusste ich, dass es nicht so viele Doppelnuller werden würden.“ Recht hatte die Rheinländerin, die seit drei Monaten auf dem Gestüt Bonhomme in der Nähe von Berlin Zuhause ist.
Ebenfalls top in Form: Nicola Pohl. Die Springreiterin aus dem hessischen Marburg hatte wenigen Stunden zuvor mit Arlo den Dyckerhoff Preis im Schlosspark gewonnen, im Großen Preis riskierte sie mit Catz de Sulpice fast alles, aber dann fiel eine Stange. „Im Nachhinein ärgere ich mich vielleicht ein bisschen, dass ich zu schnell geritten bin“, lächelte die 28-Jährige, aber insgesamt sei sie total glücklich. „Dass erste Springen zu gewinnen, hat uns alle schon happy gemacht“, lacht sie. „Meine Mama ist auch gekommen zum Zuschauen, das passiert gar nicht so oft.“ Nach dem Sieg habe sie kurz Stress gehabt, sich auf den Großen Preis vorzubereiten. Aber Catz habe ihr ein super Gefühl gegeben und es habe riesigen Spaß gemacht. Ob ihr der Regen etwas ausgemacht habe? „Ich habe mich eigentlich das ganze Wochenende auf dem Boden sicher gefühlt. Das war alles top gemanagt. Deshalb habe ich mich auch getraut, richtig schnell zu reiten.“
Peter Schumacher ist seit drei Jahren Parcourschef beim PfingstTurnier, in diesem Jahr sei natürlich durch den Regen die Herausforderung eine besondere gewesen, erklärte er. „Wir haben die Hindernisse immer sehr geplant dort aufgebaut, wo einerseits der Boden am besten war und andererseits haben wir gewisse Linien für den Montag geschont. So stand beispielsweise an der Stelle, an der im Großen Preis die dreifache Kombination stand, die ganze Tage vorher kein Hindernis. Das hat super geklappt und der Große Preis war ein absolutes Highlight!“
Die Steigerung von ‚zauberhaft‘
Schon in den vergangenen beiden Jahren hatte der Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Wiesbadens, Gert-Uwe Mende, das Turnier mit dem Wort ‚zauberhaft‘ beschrieben. „Ich habe dieses Jahr wirklich darüber nachgedacht, wie eine Steigerung zu ‚zauberhaft‘ lauten könnte, aber mir ist noch nichts eingefallen: Es ist einfach zauberhaft! Es gibt Worte, die man nicht toppen kann und die Atmosphäre ist wirklich wunderschön.
Wir haben hier vier Tage lang großen Sport gesehen, die Verhältnisse waren etwas schwierig, aber es ist wieder toll gelöst worden. Die Sportler sind der eine Teil dieses wunderbaren Turniers, die Zuschauer der zweite Teil. Aber das Ganze würde nicht funktionieren, ohne diesen wunderbaren Verein, der das ehrenamtlich organisiert. Das kann ich wirklich nur sagen: Chapeau, das ist eine sensationelle Leistung.“