Sie hat es während des Parcours ‚klackern‘ gehört, dachte, dass einige Stangen gefallen seien, aber am Ende kam sie fehlerfrei ins Ziel und war damit die einzige Amazone im Stechen. Die 24-jährige Clara Blau setzte beim LONGINES PfingstTurnier die internationale Männerwelt unter Druck. Der Preis des Hessischen Ministerpräsidenten, eine 1,55-Meter-Springprüfung, war anspruchsvoll, Sieger Vladimir Tuganov formulierte auf den Punkt: „Der Kurs war schwierig und hoch.“ Und Tuganov weiß, wovon er spricht: Zweimal war er schon bei Olympischen Spielen am Start, zweimal auch bei Weltmeisterschaften.
Nur vier der 32 Paare schafften den Parcours ohne Fehler und ritten im Stechen um den Sieg. Tuganov legte mit dem elfjährigen Jurry Bleu K vor: ohne Fehler in 48,68 Sekunden. „Mein Pferd war wirklich gut und ist super gesprungen. Matias Larocca aus Argentinien und Chad Fellows aus Großbritannien gaben alles, blieben auch fehlerfrei, konnten aber ab die Zeit von Tuganov nicht heran. Larocca wurde im Sattel von Patron van de Dweerhoeve Zweiter in 49,90 Sekunden, Fellows belegte auf Conquida de Revel PS in 51,89 Sekunden Platz drei.
Und dann war da noch die junge Dame, die im vergangenen Jahr Deutsche Meisterin der U25-Springreiter geworden ist. Clara Blau ritt mit ihrer neunjährigen Stute Bellina Royale mutig nach vorne, musste aber zwei Fehler im Stechen verbuchen. „Wir hatten wenig Erwartungen, die Stute ist ja erst neun und ich habe sie erst im letzten Jahr gekriegt“, sprudelt es stolz aus der Viertplatzierten. „Bellina Royale kam über eine gute Freundin, die meinte, das Pferd würde genau zu mir passen, weil sie ein bisschen ‚bekloppt‘ sei“, erzählt sie und lacht. „Ich war heute absolut begeistert von der Stute, sie hat das super gemacht.“
Die ‚Voltis‘ lieben und werden geliebt
„Die Kinder waren sehr nervös, sehr überwältigt von der ganzen Kulisse und der Größe des Turniers“, gesteht Alexandra Löwy, die Longenführerin vom Team Schweiz. „Aber ich finde, sie haben das sehr, sehr gut gemacht.“ Und sichersten sich mit der Gesamtnote von 7,932 nach zwei Runden den Sieg im Preis der Nassauischen Sparkasse. Bei den Herren dominierte sowohl im Techniktest als auch in der Kür Jannik Heiland, der Gesamtsieg war dem Vize-Weltmeister von 2021 mit der Endnote 8,480 nicht zu nehmen. Ebenso großartig die Leistung von Janniks Partner Dark Beluga FRH. Der 22-jährige Hannoveraner darf mit all seinen Erfolgen als Voltigiersport-Legende gelten. „Die Atmosphäre, das Feeling und die Harmonie mit dem Pferd zu genießen – das war für mich Priorität“, erklärte Jannik Heiland. „Und das haben wir, denke ich, gut hinbekommen.“
Ihren Schlosspark-Triumph von 2019 wiederholte in diesem Jahr Jolina Ossenberg-Engels. Die 28-Jährige gehört schon zu den Stammgästen in Wiesbaden. „Es ist immer ein wunderbares Gefühl, hier anzukommen und die ganze Atmosphäre zu genießen. Der Park, das Schloss, Springen, Dressur, die Einkaufszelte das ist immer ein Erlebnis.“ Im Techniktest übernahm Jolina recht deutlich den Spitze und sicherte sich damit einen solchen Vorsprung, dass sie den leichten Rückstand in der Kür hinter Gianna Ronca ausgleichen konnte und am Ende mit der Wertnote 7,838 auf Equido Sir PQH gewann. Vor zehn Jahren waren Syra Schmid und Zoe Maruccio aus der Schweiz das erste Mal in Wiesbadens Voltigierprüfungen am Start, in diesem Jahr siegten die beiden im Pas de Deux. „Wir lieben Wiesbaden wirklich sehr“, betonten die beiden. „Das ganze Turnier ist einfach wahnsinnig und einzigartig.“
Eins steht völlig außer Frage: Ob am Samstagabend unter Flutlicht oder am Sonntag mit dem Kür-Programm – die Wiesbadener sind riesengroße Fans der Pferdesport-Athleten, allen voran Claudia Liebold, die sich für den Ablauf der Voltigierprüfungen in Wiesbaden verantwortlich zeichnet. „Ich bin jedes Jahr wieder völlig begeistert – die Stimmung, die Leistungen, das Miteinander von Voltigierern und Pferden, es ist ein wunderbares Erlebnis.“1957 sind die Voltigierer das erste Mal im Schlosspark dabei gewesen, hatten dann einige Jahre Pause, gehören aber in diesem Jahrtausend fest zum Programm. Zum 17. Mal waren die internationalen Voltigierprüfungen Teil des PfingstTurniers – 2026 werden sie ‚volljährig‘!
Von Wiesbaden zum großen Finale
Wiesbaden war die dritte Etappe des Louisdor-Preises, der Serie für Deutschlands beste acht- bis zehnjährige Grand Prix-Nachwuchspferde. Nur die Besten dürfen zum großen Finale in Frankfurt und die Besten in Wiesbaden beim Preis der Liselott und Klaus Rheinberger Stiftung waren Benjamin Werndl mit Quick Decision und Tobias Nabben mit Forster. Mit 72,298 Prozent setzte sich der Mannschafts-Bronzegewinner von der WM 2022 Werndl an die Spitze, Nabben folgte mit 71,340 Prozentpunkten. Und beide haben ihre Tickets für das Finale gelöst.
„Wir haben eine überragende Galopp-Tour gesehen“, lobte die internationale Richterin und Fachkommentatorin Katrina Wüst das Siegerpaar. „Es ist wunderbar, wie Du das Pferd immer total vor Dir hast, mutig zulegst, man merkt, dass er sofort zurückkommt – alles passt, wie aus einem Guss.“ Gerade das Lockere und das Durchschwingen des Pferdes sei einfach sehr schön und das besonders feine Reiten. Auch von dem Zweitplatzierten war Wüst überaus angetan: „Das war wie bei einem Uhrwerk – gerade die erste Piaff-Passage-Tour war vom Feinsten!“